Schach Glasnost – Duell in der Morgensonne
Freitag, 26. Mai 2017Der fünffache Meister von Unterfranken (1986 Maßbach, 1987 Bergrheinfeld, 1997 Bergrheinfeld, 2000 Sailauf, 2011 Gerolzhofen) Dr. Hans-Joachim Hofstetter nahm es „Isi“ und mit schwarzem Humor. Sein letzter weißer Zug war ein Racheschach mit der Dame, wonach er die Hand zur Aufgabe reichte.
Was war passiert?
Vor Runde 7 der Unterfränkischen Meisterschaften führte der Bad Neustädter die Tabelle der M I zusammen mit Florian Amtmann mit einem Punkt Vorsprung vor dem Peloton an und durfte sich berechtigte Hoffnung auf einen erneuten, sechsten Titelgewinn machen.
Die Lokation, das Sailaufer Bürgerzentrum, bot für Partie und Berichterstattung hervorragende Rahmenbedingungen. Schach Glasnost. Transparente Fensterfronten. Exzellente Aussicht und blendender Sonnenschein. Letzteren musste man in der Osterwoche 2017 zur Fahndung ausschreiben.
FIDE Meister Hofstetter ging als Favorit in die Partie. Ein Rating Unterschied von mehr als 200 DWZ Punkten. Die weißen Spielsteine. Der Gegner, ein Aufsteiger und zertifizierter Fahrstuhlfahrer M2-M1-M2. Klare Angelegenheit. Kurzer Prozess. Plansollerfüllung.
Der Klingenberger schien sich indes nicht in sein zugedachtes Schicksal fügen zu wollen. Er versuchte seine spielerischen Defizite künstlich zu kompensieren. Vermeintlich stellte er die Chancengleichheit durch das Aufziehen einer Sonnenbrille her und spiegelte das charakteristische Utensil des Abonnementsiegers.
Wahl der Waffen. War es ein Schutz gegen die kapriziöse Sailaufer Morgensonne oder lagen hier para-psychologisch-taktische Motive zugrunde?
Das dem Ernst der Lage Rechnung tragende, seriös geschulte Gesicht des herangeeilten Turnierleiters Hans-Jörg Gies konnte sich dennoch ein Grinsen nicht verkneifen. Den dual sonnenbeschirmten Röntgenblick beider Kontrahenten hielt dieser für die Nachwelt fest:
Der Partieverlauf war kurz und ist schnell erzählt.
In einer Sizilianischen Rossolimo Variante suchte Weiß nach Abklemmen (11.-f4) und Abtausch seines schwarzfeldrigen Läufers vergeblich nach Gegenspiel. Hofstetter sah vielmehr einen schwarzen Bauernaufmarsch auf den eigenen Hofstaat zurollen. Als sich die Bauern in Wurfweite gegenüberstanden, entschied der Angreifer, aus der akkurat gezogenen Frontlinie den designierten f-Bauern in die Schlacht zu werfen. Dieser räumte dem sprunghaften Schlachtross das Feld f4, von wo der schwarze Rappe unwetterartig den weißen Horizont verdunkelte
Die Festung fiel.
Nach der Beseitigung des grausigen Gauls griff die noch unberührte Dame aus dem Hinterhalt ins Geschehen ein und beendete die Trübsal des weißen Königs.
An diesem Tag behielt der Sieger den Durchblick – oder hatte er vielleicht nur den besseren Sonnenschutz?!
Die Partie zum Nachspielen:
FM Dr.Hans-Joachim Hofstetter (DWZ 2142) – K. Link (DWZ 1927)
1. e4 c5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 g6 4. O-O Bg7 5. Re1 e5 6. Bxc6 bxc6 7. d3 d6 8. Nc3 Ne7 9. Be3 O-O 10. Qc1 f5 11. Bh6 f4! 12. Bxg7 Kxg7 13. Nb1 h6 14. c3 g5 15. Nbd2 Ng6 16. Nf1 g4 17. N3d2 h5 18. d4 h4 19. dxc5 f3! 20. g3 hxg3 21. hxg3 Nf4! 22. gxf4 Qh4 23. Nxf3 gxf3 24. fxe5 Rh8 25. Qg5+ 0-1
oder im Internet unter: http://schachfreunde-sailauf.de/2017/7/live.html
Quellennachweise:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Glasnost
- Männer, die auf Ziegen starren (Originaltitel: The Men Who Stare at Goats) ist eine US-amerikanische Film-Satire von Regisseur Grant Heslov aus dem Jahr 2009: https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A4nner,_die_auf_Ziegen_starren
(KL)