10 Fragen an Dr. Thomas Marschner
Mittwoch, 15. Januar 2025Thomas Marschner und ich kennen uns schon über 20 Jahre. Von 2000 – 2009 waren wir Arbeitskollegen im gleichen Unternehmen der Halbleiterbranche in Dresden. Merkwürdigkeit des Lebens: obwohl wir uns viel unterhalten haben wusste ich bis vor kurzem nicht, dass er im Schachsport so stark engagiert ist, wie wir das im folgenden Interview erfahren werden. Nach der Insolvenz unseres Arbeitgebers 2009 verloren wir uns aus den Augen, haben uns aber vor zwei Jahren wiedergefunden und festgestellt, dass wir sogar recht nah beieinander wohnen. Und: beide im Schachsport aktiv sind. Wie war mal ein Slogan des Deutschen Schachbunds: Schach verbindet Menschen – ein Bilderbuchbeispiel!
Thomas Marschner ist Jahrgang 1967, von der Ausbildung Physiker, lebt, arbeitet und trainiert in Hofheim am Taunus. Beruflich koordiniert er bei ZEISS in Roßdorf nationale und europäische Förderprojekte in der Halbleiter-Chip-Industrie. Seit etwa zehn Jahren ist Thomas Mitglied der Mannschaftsleitung beim SK Schwäbisch Hall, dem deutschen Meister von 2017, 2023 und 2024 in der Schach-Frauenbundesliga. Dort ist er vor allem für die Berichterstattung auf der Vereinswebseite, auf verschiedenen Schachportalen (u.a. Schachticker) und in der lokalen Presse verantwortlich.
Mit einer aktuellen ELO Zahl von 1994 ist Thomas aber auch selbst regelmäßig am Schachbrett zu finden, er spielt für die SVG Eppstein im Taunus in der Oberliga Südwest. Neben Schach hält Thomas sich mit Tennis fit, derzeit auf Verbandsebene in der Altersklasse Ü50 in Hessen. Darüber hinaus ist er ein leidenschaftlicher Fotograph. Wer sich hier ein „Bild“ 🙂 machen möchte, sollte einmal auf seiner Webseite www.thomas-marschner.de vorbeischauen.
Frage 1: Wie bist Du zum Schach gekommen und was hat Dich dort gehalten?
Schach habe ich bereits als Kind von meiner Großmutter gelernt. Mit 14 Jahren bin ich dann, im Rahmen einer Stadtmeisterschaft, in den Schachverein Eppstein eingetreten, für den ich nach wie vor aktiv spiele. Nachdem ich schnell bis in die erste Mannschaft des Vereins aufrückte und es gerade in meiner Altersgruppe viele gleichstarke Spieler gab, bin ich nur mit wenigen Pausen dem Schachspiel immer treu geblieben.
Frage 2: Die berühmte gute Fee gewährt Dir jeweils einen Wunsch im Schachsport und einen allgemeinen. Wie entscheidest Du Dich?
Im Schach wünsche ich mir die Fähigkeit, endlich mal vorteilhafte Stellungen, die ich oft nach der Eröffnung habe, gerade auch gegen stärkere Gegner in mehr Punkte zu konvertieren. Im Allgemeinen bin ich recht enthaltsam: Gesundheit und Zufriedenheit in Beruf und Privatleben würden mir schon reichen.
Frage 3: Du bist seit vielen Jahren in der Mannschaftsleitung der 1. Frauen Bundesligamannschaft des SK Schwäbisch Hall aktiv. Wie kam es dazu? Was schafft Lust und Frust bei dieser Aufgabe?
Nachdem ich 2012 beruflich nach Schwäbisch Hall gezogen war, trat ich dem dortigen Schachverein bei, obwohl ich meinem Eppsteiner Heimatverein in den Mannschaftskämpfen nach wie vor die Treue hielt. Kurz darauf gründeten die Verantwortlichen des Vereins zusätzlich zur Herrenmannschaft eine Damenmannschaft. Mario Meinel und Gregor Krenedics fragten mich, ob ich nicht mitmachen wolle, insbesondere auch in Bezug auf die Berichterstattung. Damals war noch nicht im Entferntesten abzusehen, dass sich die Mannschaft über einen so langen Zeitraum so erfolgreich in der Bundesliga behaupten würde – trotz aller finanziellen Herausforderungen und auch diverser Widerstände innerhalb des Vereins in den ersten Jahren. Diese Widerstände wurden zum Glück schon vor einigen Jahren nach einem Wechsel im Vorstand überwunden.
Eine besondere Herausforderung war natürlich die Coronazeit mit vielen Terminverlegungen und -absagen. Gerade die sich immer wieder kurzfristig verändernden Teilnahmebedingungen und Randbedingungen hinsichtlich Einreisen aus dem Ausland haben für erhebliche organisatorische Probleme gesorgt.
Im Laufe der Jahre sind viele Freundschaften entstanden, und der Kern der Schwäbisch Haller Mannschaft hat sich nur wenig verändert. Viele Spielerinnen sind seit dem Bundesligaaufstieg 2014 oder länger dabei. Ein persönlicher Höhepunkt war die Reise zur Schacholympiade 2018 nach Batumi in Georgien, wird doch ein Großteil der Schwäbisch Haller Mannschaft seit Jahren von georgischen Nationalspielerinnen gebildet. Daher bin ich dem Verein und der Mannschaft auch nach meinem Umzug ins Rhein-Main-Gebiet treu geblieben.
Frage 4: Was ist Dein Lieblings-Reiseziel und warum?
Ich habe kein dediziertes Lieblingsreiseziel, sondern versuche immer wieder neue Orte, die ich noch nicht besucht habe, zu entdecken. Am besten gefallen mir Ziele mit spektakulären Naturschönheiten, die natürlich auch fotografisch besonders interessant sind. Dazu zählen unter anderem Ziele wie Island, die nordamerikanischen Nationalparks oder das südliche Afrika.
Frage 5: Wo siehst Du die wesentlichen Unterschiede in der 1. Frauen und der 1. Männer Bundesliga im Schach?
Natürlich ist ein bedeutender Unterschied die höhere Spielstärke in der Männerbundesliga, die ja auch die Unterschiede im Frauen- und Männerschach widerspiegelt. In der Frauenbundesliga geht es insgesamt familiärer zu, was man insbesondere bei den beiden herausragend organisierten zentralen Endrunden in Bad Königshofen 2023 und 2024 erleben konnte. Trotzdem sind auch in der Frauenbundesliga die meisten Spielerinnen inzwischen mindestens Halbprofis – ganz ohne deutsche oder ausländische Topspielerinnen kann sich inzwischen keine Mannschaft mehr dauerhaft in der Frauenbundesliga halten. Und bei den Topclubs spielt sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen die absolute Weltspitze. Ein großer Unterschied ist der finanzielle Aufwand, der ist in der Männerbundesliga um ein Vielfaches höher, nicht nur aufgrund höherer Honorare, sondern auch weil mit 16 Mannschaften an 8 Brettern gespielt wird, während bei den Frauen 12 Mannschaften an 6 Brettern spielen. Was beide Ligen gemeinsam haben: inzwischen kommt der deutsche Nachwuchs zunehmend regelmäßig zum Einsatz und hat dazu noch die Gelegenheit, sich das ein oder andere Mal mit absoluten Topspielerinnen oder -spielern zu messen.
Frage 6: Du gewinnst eine Reise ins All als Weltraumtourist. Bist Du dabei? Und warum?
Ich würde die spannende Erfahrung sicher mitnehmen, allerdings unterstütze ich das Thema nicht wirklich, da ich die touristische Erschließung des Weltraums für reinen Luxus und Geldverschwendung halte. Das Geld sollte man besser beispielsweise in die Weltraumforschung stecken.
Frage 7: Dein Geheimnis für körperliche und geistige Fitness?
Regelmäßige sportliche und geistige Aktivität und immer mal wieder etwas Neues ausprobieren.
Frage 8: Welches Buch, welche Schallplatte (!) und welcher Film müssen mit auf die einsame Insel?
Buch: Ich habe zu Hause ein paar Sachbücher gerade in Richtung neuer technologischer Entwicklungen herumliegen, bei denen ich einfach nicht dazu komme, sie zu lesen, ein Beispiel ist ein Buch wie eigentlich ein Quantencomputer funktioniert. Wahrscheinlich würde eines dieser Bücher mitkommen.
Schallplatte: Schallplatten habe ich seit Jahren nicht mehr, auch der CD-Spieler staubt inzwischen vor sich hin. Wenn es um Musik geht: da wären die 5 Klavierkonzerte von Beethoven ganz vorne.
Film: Einen meiner „All-Time-Favoriten“: Es war einmal in Amerika von Sergio Leone
Frage 9: Welchen Schachspieler bewunderst Du am meisten und warum?
Schwierig, ich habe kein echtes Idol, vielleicht die üblichen Verdächtigen wie Kasparov und Carlsen. Kasparov wegen seiner Konsequenz, mit der er auch seine politische Überzeugung vertritt, Carlsen, weil er sich auch als Weltmeister immer wieder der Konkurrenz gestellt hat, gerade bei seinen Corona-Bullet-Nächten mit Alireza Firouzja zeigt sich, wieviel Spaß er immer noch am Schach hat.
An den heutigen Topspielerinnen und -spielern bewundere ich die Fähigkeit, in komplexen Positionen auch unter Zeitdruck zumeist die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das gerät manchmal in Vergessenheit, wenn man zu Hause Partien mit einer mitlaufenden Engine verfolgt.
Insbesondere bei gemeinsamen Analysen erkennt man erst, wie tief sie in einer Partie stecken und was für Varianten sie zusätzlich berechnen, die einem fortgeschrittenen Amateur wie mir überhaupt nicht in den Sinn kamen.
Frage 10: Dein wichtigstes Ziel für die Zukunft?
In meinem Alter natürlich, noch möglichst lange gesund und fit zu bleiben.
Thomas, für Deine spannenden Gedanken und die Zeit für das Interview bedanken wir uns ganz herzlich!
In memoriam Klaus Link (1966-2024)
(MVE)