Unterfränkischer Schachverband e.V.
Bezirksverband des Bayerischen Schachbundes im Deutschen Schachbund e.V.
und Bayerischen Landessportverband

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Let’s go freestyle ?!!

Freestyle Chess ist trendy! Eigentlich heißt es korrekt Fischer Random Chess oder Chess960. Aber der Mäzen Jan Henric Buettner befand, dass ihm diese Bezeichnungen zu un-trendy seien. Als (Tauf-) Pate benannte er es eigenmächtig in „freestyle chess“ um. Im herzerfrischenden Artikel „Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt die Musik“ der Zeitschrift Schach (03/(2024) erfährt man überdies, dass die Musik auch Malefiz hätte sein können, oder wie ich anmerken darf, vielleicht auch Sackhüpfen, wenn nur Carlsen bei diesem Turnier mitspielen würde.

Ganz gleich, ob die Motivation zu einem freestlye Turnier – und sagen wir ab jetzt wieder besser Chess960 dazu – aus der Selbstdarstellung eines Sponsoren herrührte oder lediglich, um diese Version des Schachspiels näher kennen zu lernen, ist es einen Versuch wert. So dachten sich ein paar Spieler vom Untermain, als die Idee zu einem Einladungsturnier in kleinem Rahmen aufkam.

Aber warum eigentlich gerade jetzt?

Seitdem der Schachweltmeister Bobby Fischer diese Idee des Schachformats Fischer Random Chess aufbrachte, um der am Schachhorizont aufgehenden Remistodgefahr zu begegnen, ist ja nun schon genug Zeit vergangen. Seitdem wurden ja immer wieder Versuche unternommen, diese Spielart nach vorne zu bringen.

Doch der Autor dieses Artikels glaubt, dass nun auch im Schachsport eine signifikante Zeitenwende eingetreten ist. Ein Sponsor, der seine ersten Millionen mit aol.com verdiente, scheute keine Unkosten (in Millionenhöhe!) und lud die Weltelite nach Weissenhaus, (s)einem Hotelressort ein. Zum ersten Mal beschäftigten sich also Schach-Supergroßmeister mit Chess960 und nicht nur Amateure oder vereinzelte Spitzenspieler. Zum zweiten war mit dem Weltranglistenersten Carlsen ein starker Verfechter alternativer Schachformate zur Bestimmung des Weltmeistertitels mit an Bord. Einige Großmeister bemängeln die seit einiger Zeit remislich ausgetretenen Partiepfade, die eine „normale“ Partie mit Spannung oder Überraschungen am Brett kaum mehr ermöglichen. Manche Spitzenspieler, darunter Aronian, scharren mit den Hufen, das Chess960 Format auf höchster Ebene zu spielen, weil es von Anfang an offene Partien zulässt.

Und dies alles – und nun kommt endlich der Bezug zum Unterfränkischen Schach – mit zarten Anzeichen auch beim USV diese Spielart zu versuchen, denn am 2. Januar 2024 fand erstmals ein auf lichess ausgetragenes Turnier statt. (https://lichess.org/swiss/v56CuK9Q)

Was Weissenhaus kann, können wir schon lange. So dachten sich kurz nach der Öffentlichkeitsschwemme an Schachartikeln und -videos die Unterfränkischen Spieler Wolfgang Kraft (SK Dettingen), Marco Lindner (SK Mainaschaff) sowie K. Link vom SK Klingenberg.

Mit einer handverlesenen Schar von Schachenthusiasten versammelte man sich am 7.März im Anton-Wombacher Haus in Dettingen, und richtete kurzerhand ein Chess960 Turnier mit 7 Runden und 10+5 Minuten Spielzeit aus. Einfach nur um Erfahrungen zu sammeln, und ein persönliches Fazit zu finden, wie einem selbst dieses Format gefällt. Nach einer kurzen Eröffnungsrede von K. Link, erläuterte W. Kraft insbesondere die Rochaderegeln als auch, wie es zu den 960 (959) Stellungen rechnerisch kommt. Danach gingen die Gladiatoren aus den Vereinen Dettingen (4), Mömbris(2), Mainaschaff (1) und Klingenberg (1) ans Werk und spielten den 100% Sieger mit 7 / 7 aus. Die ersten drei Gewinner erhielten ein Queens Gambit Maxi Plakat sowie jeder Teilnehmer ein Präsent in Form des Romans „The Machine Stops“ von E.M. Forster aus dem Jahr 1909!

Um es kurz zu machen, waren alle Teilnehmer sehr angetan von der Lebendigkeit und Vielfältigkeit der Partien und Stellungen, und wollen auch zukünftig weitere Wettkämpfe organisieren.

Schachstreamender Millionenverdiener und derzeitiger Weltranglistendritter und WM Kandidat Hikaru Nakamura sagt: „Klassisches Schach ist im Niedergang“. „In 10, 15 Jahren“ werde Schnellschach der neue Standard sein: „Dank immer stärkerer Computerprogramme kann man mit guter Vorbereitung in fast jeder Eröffnung eine Stellung kriegen, in der man mit Schwarz relativ leicht remis macht.“ Amateurschach sei davon nicht betroffen: „Bis Großmeisterniveau ist klassisches Schach immer noch großartig.“ (Zitat aus Perlen vom Bodensee, 7.)

Das letzte Statement finde ich wohltuend, da ich mich selbst als Fan des klassischen Schachs zähle und das, obwohl ich nun auch Chess960 kennengelernt habe und es faszinierend finde. Schach hat eben viele Facetten und das macht es auch noch nach 45 Jahren spielen für mich unschätzbar

Fotos und Tabellen:

 

Eröffnungsrede K.Link

 

Wolfgang erklärt die Anzahl möglicher Eingangsstellungen sowie die Rochaderegeln (C- und G Rochaden)

 

Dettinger Derby: F. Voellinger gegen Bernd Dahlheimer

 

K.Link mit gegnerischem Einfall auf b7, einer weißen Dame, die später keine Ausflüchte mehr fand.

 

Im Hintergrund rechts: W. Kraft überspielte alle seine Gegner

 

Der Spielort, Das Anton Wombacher Haus, SF 1950 Dettingen

 

Friendly Handshake, K. Link – Markus Susallek

 

High concentration, Klaus Oster (SF Dettingen) – Marco Lindner (SK Mainaschaff)

 

Bernd Dahlheimer und Michael Scholz, 1.d4!

 

Chess960 – unbekanntes Neuland

 

Kiebitze

 

Wilde Handgemenge im Chess960 Format

 

Links Wolfgang Kraft, der spätere Turniersieger mit 7 aus 7 Punkten!

 

Ein Fußballfan unter den Schachspielern, wer erkennt ihn?

 


Die Abschlusstabelle

 

1. Wolfgang Kraft (SF Dettingen) 7 Punkte

2-3. Marco Lindner und Bernd Dahlheimer, jeweils 4 Punkte

4.-6. Klaus Oster (SF Dettingen), K.Link (SK Klingenberg) und Florian Voellinger (SF Dettingen), je 3 Punkte

7. Markus Susallek (SK Mömbris) 2,5 Punkte

8. Michael Scholz (SK Mömbris) 1,5 Punkte

Alle Quellenhinweise und einen Überblick über Chess960 und dessen Impact können sich interessierte Schachspieler hier verschaffen:

1. Schachzeitschrift „Schach“ Märzausgabe (03/2024), Seite 48-50 Interview sowie dem ausführlichen Turnierbericht Weissenhaus da-dort.

2. Review auf das Turnier auf schach.com unter:

https://www.chess.com/news/view/9-things-we-learned-2024-freestyle-chess-goat-challenge

3. Ein hervorragendes Interview von Magnus Carlsen’s Trainer Peter Heine Nielsen

https://www.youtube.com/watch?v=tOY1BpY9vNQ

4. Financial Times Bericht zum Weissenhaus Turnier:

https://www.ft.com/content/21677819-4742-4f65-ad6a-9bfb7bc8be50

5. Die große bunte Sakko Show auf https://www.youtube.com/watch?v=B77X9TCxwh4

6. Der hochklassige Zeit Online Artikel „Wo Schach neu erfunden werden soll“ von Ulrich Stock!:

https://www.zeit.de/sport/2024-02/freestyle-chess-schach-magnus-carlsen-jan-henric-buettner

7. Der Bericht zu freestyle chess und den dortigen Ereignissen von den „Perlen vom Bodensee darf hier natürlich keinesfalls fehlen: https://perlenvombodensee.de/2024/02/28/kandidatenturnier-nakamuras-streaming-deal-und-das-vergebliche-werben-der-fide-um-magnus-carlsen/

8. Unterfränkisches Neujahrsturnier Chess960: https://lichess.org/swiss/v56CuK9Q

9. E.M. Forster: „The machine stops“ https://www.amazon.de/gp/product/3125776392/ref=ppx_yo_dt_b_asin_title_o06_s00?ie=UTF8&psc=1

 

Fotos: W. Kraft, R. & K. Link

Nachtrag:

Anmerken sei unbedingt noch der Chess960 Protagonist Mirco Süß, der bereits 207, damals noch unter der Schirmherrschaft der USV Vorsitzenden Margareta Walter, ein Fischer Random Turnier ausrichtete.

Auf der Homepage http://www.skk1982.ag.vu/______vereinsleben/

des SK Klingenberg gelangt man zum Turnierbericht leicht mittels Schlagwortsuche „Chess960“. 

[KL]