Unterfränkischer Schachverband e.V.
Bezirksverband des Bayerischen Schachbundes im Deutschen Schachbund e.V.
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UEM Schlagschatten #9 – Schwarze Dame! Bitte ans Telefon kommen – Long Distance Call!

Ein Vormittag, den man sich nicht als Kauf DVD wünscht, dachte sich der weiße Spieler, nachdem er im 18.Zug die Segel strich. Es war, als ob der treue Erlenbacher Nieselregen zu Ostern im Halleninneren aufs Brett niedergegangen wäre.
Der letzte Zug des Schwarzen war wie eine Guillotine in die heile weiße Welt gefallen. Aber bekanntlich gibt es keine Niederlagen. Manchmal gewinnst Du. Und manchmal lernst Du dazu.
Can Ersöz legte als Aufsteiger in die MI heuer, insbesondere in den ersten fünf Runden eine in dieser Höhe nicht erwartete, formidable Performance ab und hielt mit knapp 50% und vier Punkten sicher die Klasse.

Dschingis Ersöz Can mit seinem Schachheer

Gegen Sizilianisch packt er gerne die geschlossene Variante aus. Das wusste auch sein Gegner in Runde 6. Schließlich hatte man sich seit 2009 in Obernau schon viermal auf dem Brett gegenübergesessen. Dieses Mal überraschte Schwarz mit 1.e4 c5 2.Sf3 a6!
Can kam im Weiteren durch die zu frühe Festlegung 7.e5 in positionellen Stellungsnachteil, und sein Gegner konnte eine mächtige Bauernphalanx ausbilden. Sein frecher Springer jedoch, lugte – vertrieben durch 11.g4 – derweil vom unscheinbaren Randfeld h4 provokant in die weiße Reihen hinein:

Weiß wollte nun mit 14.Le3?? den erwarteten Spieß d5-d4 mittels 15.Lf2 unter dreifachem Angriff auf den Randspringer h4 entkräften, doch der Springer ergriff mit dem Zwischenzug 15.-Sg2 folgerichtig die Flucht nach vorn, von wo aus er die weiße Dame belästigte.

Zwei weiße Figuren waren unter Beschuss. Die Dame Dd1 musste weichen. So wanderte der Springer auf c3 in die Holzkiste und der Sg2 hatte durch den erzwungenen Damenwegzug aus der schwarzen Diagonalen wieder den Rückzug nach h4 offen, was gleichermaßen Figurengewinn bedeutete!

Der Grundreihenläufer wollte nun endlich auch wieder mitspielen und machte sich mit 18.Ld1-e2 auf den Weg. Dies rief seinen schwarzen Gegenspieler auf den Plan.
Der bisher passive „Schläfer“ Lb7 rief sogleich seine Dame von d8 nach d5 zum gebündelten „Long Distance Call“ 18.Dd5!
Weiß gab danach die Partie auf der Stelle auf.
Im Zusammenspiel mit dem vermaledeiten Randspringer h4 wuchs für Weiß auf der langen Diagonalen an diesem Tag kein Kraut mehr:

Dem Werbeslogan ist nichts mehr hinzuzufügen!

KL

Quellen:

  • Partie zum Nachspielen: https://view.livechesscloud.com/#f4dabe5c-16ab-4ca5-b89d-54b1f7bf4256 , Runde 7, No.7, (Auswahl über Klicken der blauen Kopfleiste)
  • Fotos: Oksana Gies, Bell System
  • Der Begriff „Schläfer“ stammt aus der Agentensprache und meint einen „schlafenden Agenten“, der auf einen Einsatz in nachrichtendienstlich interessanten Zielobjekten hinarbeitet und meist durch einen Initalcode aktiviert wird. Ein sehenswerter Hollywoodfilm zu diesem Thema ist „Telefon“ (long distance call 😉), ein US-amerikanischer Agentenfilm des Regisseurs Don Siegel (bekannt als Regisseur der Dirty Harry Clint Eastwood Filme) aus dem Jahr 1977, der vor dem Hintergrund des Kalten Krieges spielt. Der Agent wird dort per Telefonanruf aus einer passiven Hypnose heraus aktiviert.