Meister KissChess in die Bundesliga – Junge Schachspielerinnen starten durch
Mittwoch, 19. Februar 2020Die Erfolgsgeschichte ist kurz, aber steil: Im Dezember 2017 gründeten Schach-Enthusiasten aus Bad Kissingen mit KissChess den dritten Bad Kissinger Schachverein nach der TSV-Abteilung und den ebenfalls noch jungen Schachfreunden (*2015). Jedoch wollte man nicht in Konkurrenz zu den genannten treten, sondern das schachliche Spektrum erweitern, ohne an der allgemeinen Verbandsrunde teilzunehmen. Die „Macher“ des Vereins sind der Initiator und Vorsitzende Dr. Hans-Joachim Hofstetter, Stellvertreter Dr. Harald Bittner und sportlicher Leiter Jürgen Müller (SC Bad Königshofen), der lange Jahre in Bad Kissingen arbeitete. Bereits im Januar 2018 organisierte man ein hochkarätig besetztes Turnier mit drei Großmeistern und weiteren Titelträgern in der Kurstadt, im Sommer die Bayerischen Einzelmeisterschaften.
Bereits im Herbst des gleichen Jahres ging eine Frauenmannschaft in der Regionalliga an den Start. Nach vier klar gewonnenen Matches wurde mit einer knappen Niederlage beim einzig verbliebenen Konkurrenten Bonn-Bad Godesberg die Meisterschaft noch vergeben. Da Bonn aber auf den Aufstieg verzichtete, der auch die Aufstockung von Vierer- auf Sechser-Mannschaften mit sich bringt, rutschten die KissChess-Damen doch noch in die 2. Frauen-Bundesliga.
Hierfür fand man weitere Verstärkung aus der Region und aus Osteuropa. Die Ambitionen strebten klar nach Höherem; gleich am ersten Spielwochenende stand der vermeintlich (und auch real) stärkste Gegner an, das Team von Bayern München. Dieses Spiel ging knapp an die KissChess-Girls, in der Folge markierten sie klare Erfolge. Nachdem München gegen Stuttgart stolperte, blieb nur noch Freiburg-Zähringen als Verfolger übrig, den man im direkten Vergleich zuhause mit 6:0 abfertigte.
Gegen Stuttgart-Wolfbusch war der Berichterstatter als Mannschafts-Kapitän vor Ort; es stand lange ausgeglichen, ehe sich Kiolbasa aus gedrückter Stellung befreite und beim Stand von 3:1 lag es an Reichert und Gaboyan, nach taktisch geprägtem wechselhaften Partieverlauf Sieg und Meisterschaft zu sichern. Mit dem 5:1 war bereits vor der Schlussrunde am Folgetag der direkte Durchmarsch von der Regionalliga in die 1. Frauen-Bundesliga geschafft. Dort sammelten bereits die Damen des SC Bad Königshofen zweimal Meisterehren und liegen aktuell nach einem Sieg im Spitzenduell ganz vorne.
In der 2. Liga Süd eroberte Bayern München im direkten Duell mit Zähringen mit 4 Punkten Rückstand den Vizetitel, die abstiegsbedrohten bayerischen Vereine SG Augsburg und Bavaria Regensburg konnten im Schlussspurt die Klasse halten. Absteigen müssen der südhessische SK Gernsheim und Rochade Zeulenroda aus Ost-Thüringen.
Bemerkenswert ist, dass fünf Spielerinnen des jungen Teams (18 bis 27 Jahre alt) alle Spiele bestritten, was für die konstante Leistung sorgte. Am Spitzenbrett trotzte IM Irine Kharisma Sukundar allen Widrigkeiten, auch als sie in der letzten, eigentlich bedeutungslosen Runde in Nachteil geriet, ein Remisangebot verschmähte und sich in der längsten Partie des Spieltages doch noch durchsetzte. Die Indonesierin war bereits beim 2018er Großmeister-Turnier in Bad Kissingen aktiv.
An den Folgebrettern zeigten die Polin WIM Oliwia Kiolbasa und die Bulgarin WFM Viktoria Radeva ihr Können, wobei Radeva wie auch Sukundar alle sieben Partien gewann (Bild).
WIM Susanna Gaboyan ist für zwei Jahre in Bad Königshofen zu Hause und leistet dort ein schachorientiertes Soziales Jahr ab. Die Medizinstudentin Katharina Mehling von der SpVgg. Stetten gewann 2018 im ersten Anlauf mit einer 100-%-Quote den bayerischen Damentitel, den sie ein Jahr später ebenso unangefochten verteidigte. Vor dem Finalwochenende hatte sie alle fünf Partien gewonnen, doch riss dann der Faden und es kam nur noch ein Remis hinzu. Claudia Reichert hat sich als Schiedsrichterin und Übungsleiterin für ihren Stammverein Dicker Turm Münnerstadt weitergebildet und zeigt mit zwei Siegen ebenfalls aufstrebende Tendenz. Je einmal waren Darja Mikliaeva (KÖN) und Alba Pérez Celis (Bad Neustadt) erfolgreiche Reservisten.
Da eine Stammspielerin wohl nach Bad Königshofen wechselt, dürften noch Verstärkungen nötig sein. Sowohl KissChess als auch der SC Bad Königshofen planen außerdem, für die kommende Saison eine Reservemannschaft für die Regionalliga zu melden.
Bad Kissingen/Stuttgart (HBitt).