Unterfränkischer Schachverband e.V.
Bezirksverband des Bayerischen Schachbundes im Deutschen Schachbund e.V.
und Bayerischen Landessportverband

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Leergefegte Straßen in Obernau

Konzentration im Spielsaal. Die Stille wird jäh durch das Betätigen der elektronischen Uhren mit einem leichten Klacken unterbrochen. Kaum merklich verschieben sich die Stellungen an den Brettern. Figuren werden über das Spielfeld gezogen: Gerade, diagonal, lang- und kurzschrittig. Unvermittelte Pferdsprünge, Rochaden. Es entstehen dynamische Ungleichgewichte. Raum – Zeit – Material. Drei Dimensionen geben sich einander die Hände, diffundieren nur scheinbar zufällig.

Am Ostermontag werden anlässlich der Unterfränkischen Schacheinzelmeisterschaften in Obernau die Straßen wie leergefegt sein. Wer zuhause keinen Zugang zu den Livebrettern hat, wird sich die Nase an den Internetschirmen in den Schaufenstern der TV Geräte Läden plattdrücken. 65 Spieler sind gemeldet. Als Favorit in der M1 dürfte der einzige Internationale Meister, Fabian Englert, Meister von Unterfranken 2015, gelten. Geheimfavoriten lauern mit einem spitzen Läufer hinter dem Rücken kaltblütig auf ihre Chance.

Aber auch in den restlichen Klassen werden sich während der Ostertage Dramen an den Brettern abspielen, die zwar äußerlich nahezu geräuschlos von statten gehen, aber in den Köpfen und  Hormonspiegeln der betreffenden Schachkämpen zu entsprechenden Spitzen und (meist) unterdrückten Emotionsausbrüchen führen.

Turmeinschläge im schwarzen Dachboden auf g7, Springerattacken auf die Achillesferse f7 oder gar Damenopfer ins Zentrum der gegnerischen Macht werden zu sehen sein. Harmlos aussehende Bauernzüge können sich als gewalttätig erweisen. Man belauert und verschanzt sich. Es wird geblufft, es werden Hinterhalte gelegt.

Es gibt nicht nur materielle Verluste, sondern auch angekratzte Ego’s und durchlöcherte DWZ Werte. Schach ist ein brutaler Sport. Aber das wissen nur die Insider…

Schach ist aber auch ein geselliger Sport. Wenn man sich nicht dem statischen Selbstbild von Platzierungen und Rating hingibt, sondern einem dynamischen, das auf Spaß am Spiel, Lust am Prozess der Verbesserung des eigenen Könnens, intelligenten Zugfolgen, genialen Inspirationen am Brett, freundschaftlichen Partieanalysen post mortem und Geselligkeit nach der Partie abzielt, dann – und erst dann – hat man den eigentlichen Wert dieses sozialen Sports begriffen.

Humor und Selbstironie sind dabei zwei sehr nützliche Paten.

KL