Unterfränkischer Schachverband e.V.
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Schachweisheit: Berührt ist geführt

Norbert Lukas und Rolf Hantelmann sprechen über sozialpädagogische Kompetenz und Spitzfindigkeiten

Training am Übungsbrett: Der Schweinfurter Norbert Lukas (rechts) zeigt den Gerolzhofener Rolf Hantelmann einen Lösungsweg. Foto: Michael Bauer

Von Oktober bis Januar richtete der Schachklub 2000 Schweinfurt erstmals eine C-Trainer-Ausbildung in seinem Spiellokal in der Spinnmühle aus. An vier Wochenenden wurden jeweils von Freitag bis Sonntag die Teilnehmer in den verschiedenen Lehrmethoden geschult. Nach einer schriftlichen Prüfung und einer zusätzlichen Lehrprobe durften sich schließlich 20 Absolventen C-Trainer nennen, darunter aus Schweinfurt Erich Feichtner, Fred Reinl, Norbert Lukas und Johannes Mann, vom SK Gerolzhofen Rolf Hantelmann. Lukas und Hantelmann erklären im Interview mit dieser Redaktion, was die Aufgaben eines Trainers sind – und dass auch Schiedsrichter beim königlichen Brettspiel wichtig sind.

Frage: Schachspieler, die Schach spielen können, spielen Schach. Wozu brauchen die einen Trainer?

Norbert Lukas: Das fragen sich leider offenbar auch viele Vereine. Ich befürchte nur ein Drittel bis maximal die Hälfte leistet sich einen Trainer. Obwohl diese Vereine auch Jugendarbeit machen und einen Trainer haben sollten. Man muss da aber auch unterscheiden in zwei Arten von Trainern. Zum einen die wie Rolf Hantelmann, die an die Schulen gehen, Grundlagen und Regeln

Denn zunächst ist Schach ein Spiel. Der zweite Schritt ist dann die Arbeit im Verein. Da geht es dann um das Erlernen von bestimmten Mustern und Zügen. Denn da wird Schach zum Sport, wo nicht mit Zufall wie beim Würfeln gewonnen wird. Alles wird im Kopf vorab berechnet, dazu ein bisschen Pokern, ob man vielleicht besser gerechnet hat als der Gegner. Dies zu automatisieren ist Aufgabe des Trainers im Verein. Rolf Hantelmann: Ich gehöre zu der ersten Kategorie. Ich habe eine C-Trainer-Lizenz und gebe an der Grundschule in Gerolzhofen Schachunterricht für Erst- bis Drittklässler.

Das Fach „Schach“ gibt’s aber vermutlich kaum.

Hantelmann: Gibt es in Deutschland zwar, aber sehr selten. In Trier existierte aber vier Jahre lang ein Projekt, in dem mehrere Klassen parallel beobachtet wurden: Im Fach Mathematik wurde in einigen Klassen wöchentlich eine Stunde weggenommen und stattdessen Schach unterrichtet. Man hat sensationelle Ergebnisse gekriegt. Trotz der Stunde Mathe weniger, waren diese Kinder in Mathe besser, in Deutsch und Englisch sogar deutlich besser. Vermutlich war das so, weil die Konzentrationsfähigkeit gestärkt wird. Das habe ich dann der mir bekannten Konrektorin in Gerolzhofen erzählt und sie sagte: „Das machen wir auch. “ Wir konnten es dann auf Grund von Lehrplan-Änderungen nicht aufrecht erhalten. Aber alle Kinder, die wir im Schachklub Gerolzhofen aktuell haben, stammen aus der Zeit, als das Projekt lief. Die Spieler der vierten Klasse bilden eine Mannschaft. Das ist für uns sensationell, weil wir bis dato überhaupt keine Kinder an den Verein binden konnten.

Gibt’s das in Schweinfurt auch?

Lukas: Wir haben in Schweinfurt aufgrund der Vielfalt an Bildungsstätten keine Schulschach-AGs. Wir versuchen Nachwuchs über Kinderferienprogramme und Schachkurse in der kommunalen Jugendarbeit zu gewinnen. Wer nicht nur Spielen will, sondern wissen will, was kann passieren, wenn ich im Kopf etwas ausarbeite, der kommt zu uns. Das sind dann, ähnlich wie in Gerolzhofen, auch Kinder im Alter zwischen sechs und zehn Jahren. Nur trainieren unsere Trainer sie statt in der Schule immer Freitagnachmittag im Verein in der Anfängergruppe. Für ältere Jugendliche gibt es dann zwei weitere Fortsetzungskurse. Jede Altersklasse, jede Leistungsstärke kann sich noch steigern, selbst Spieler der ersten Mannschaft müssen trainieren. Da geht es dann um Vorbereiten auf den Gegner: Was sind dessen Stärken, welche Stellungen liegen ihm? Wir haben beim SK 2000 Schweinfurt fünf Trainer und sind entsprechend breit aufgestellt.

Wie darf man sich das Training vorstellen?

Hantelmann: Wenn man als Trainer mit einer Gruppe arbeitet, muss diese Gruppe homogen sein. Gerade im Jugendbereich, wo die Entwicklungssprünge am größten sind. Da kann mal ein Kind kommen und sagen: „Rolf, den Zug kann ich doch schon. Da könnte man doch auch einen Doppelangriff machen.“ Die Entwicklungssprünge haben auch viel mit der Unterstützung im Elternhaus zu tun. Gerade beim Schach. Kommen Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Elternhäusern, werden sie in der Regel nicht so gefördert. Sie sind genauso willkommen, benötigen aber meist eine intensivere Trainer-Betreuung.

Lukas: Sozialpädagogische Ausbildung gehört dazu. Ein Trainer muss erkennen, ob eine Trainingsgruppe homogen werden kann, und entsprechend darauf hinarbeiten, dass sie es wird. Was zur Sozialpädagogik dazu kommt: Wir brauchen eine Erste-Hilfe-Ausbildung. Auch wenn Verletzungsrisiken beim Schach natürlich geringer sind, als in anderen Sportarten. Doch kann es schon einmal einen Kreislaufkollaps geben. Und dann muss auch ein Schiedsrichterschein gemacht werden. Die gesamte Ausbildung umfasst 130 Unterrichtsstunden.

Schiedsrichter? Beim Schach?

Hantelmann: Es gibt tatsächlich Tausende Spitzfindigkeiten. Das geht im Dorfschach meist damit los, dass von zwei schlauen Menschen einer schlauer sein will und sie sich anfangen zu streiten, ob der Gegenüber diesen einen Zug jetzt genau so hätte machen dürfen oder nicht. Dann kommt der Schiedsrichter ins Spiel. Dann gibt es auch ganz klare Regelverstöße: Zum Beispiel eine Figur anzufassen, es sich dann anders überlegen und eine andere ziehen. Da gilt natürlich: berührt ist geführt.

Lukas: Wobei es da auch Ausnahmen gibt: Einen unmöglichen Zug muss man nicht ausführen. Dann gibt es auch Verstöße beim Bedienen der Zeituhr. Schiedsrichter kontrollieren beispielsweise, ob die erforderliche Anzahl an Zügen getätigt wurde, damit der Spieler ein neues Zeitfenster erhalten kann. Aber natürlich kann in unteren und mittleren Leistungsebenen im Wettkampf nicht an jedem Brett ein Schiedsrichter sitzen. Wichtigste Aufgabe der Schiedsrichter in den letzten Jahren ist jedoch leider die Kontrolle des elektronischen Dopings geworden. Missbrauch von Smartphones zum Einholen fremder Hilfe beispielsweise in Toilettenpausen ist immer wieder vorgekommen. Schachprogramme haben teils Spielstärken von über 3000, sind stärker als der Weltmeister. Ein Smartphone ist ein Computer. Ein Blick auf so ein Programm kann schnell für bessere Züge sorgen. Im Amateurbereich, also bis etwa zur Dritten Liga, kann da der entscheidende Hinweis, ob beispielsweise ein Königsangriff möglich ist, mit wenigen Blicken kommen. Im Profibereich ist das schon schwieriger.

Zurück zum Trainer. Muss der zwingend auch ein guter Schachspieler sein?

Lukas: Beim C-Trainer nicht zwingend. Beim B-Trainer definitiv, da muss der Bewerber über die Spielstärke 1900 verfügen, und die Befähigung haben, mindestens in der Bezirksliga am vordersten Brett oder in der Unterfrankenliga zu spielen. Aktuell findet in Lichtenfels ein Kurs statt, im Mai wird in Schweinfurt geprüft. Mit Johannes Mann nimmt auch ein Spieler des SK 2000 teil. Für die A-Trainer-Ausbildung muss man die Befähigung haben, Zweite Liga zu spielen. Je höher man kommt, desto mehr kommt die Fachkompetenz zum tragen. Im C-Bereich geht es um die Sozialkompetenz, in der mittleren Ebene um die Methoden-Kompetenz: Wie bringe ich den Leuten etwas bei . . . Hantelmann: Entscheidender Faktor ist die Handlungskompetenz. Natürlich muss der Trainer Schach spielen können, Regeln und Züge beherrschen. Aber die soziale Komponente ist gerade im Nachwuchstraining sehr groß: Kann der Trainer die Kinder und Jugendlichen „mitnehmen“? Mit steigender Leistungsebene ist der sportliche Aspekt entscheidender. Wenngleich sich auf höherem Niveau die Spieler über Skype vernetzen und weiterbilden. Da können leistungsmäßig zueinander passende Spieler gemeinsam im Internet trainieren.

Lukas: Da bietet sich gezieltes Einzeltraining an, ohne dass der Trainer vor Ort sein muss. Das gibt es nur im Schach. Johannes Mann ist so ein Beispiel, er will noch Internationaler Meister werden und die 2400er-, vielleicht sogar 2500-Leistungspunkte-Marke erreichen.

Stichwort Internationaler Meister. Im Schach gibt’s ja einige Meister . . .

Lukas: Es gibt die beiden großen Titel Internationaler Meister und Großmeister, sowie darüber hinaus noch den FIDE-Meister. Hauptkriterium ist die internationale Wertungszahl. 2500 Punkte sind Großmeisterstärke. 2400 Punkte sind die Stärke eines Internationalen Meisters. Und bei 2300 gibt’s das, was beim SK 2000 Schweinfurt fünf Mal existiert – den FIDE-Meister. Man muss diese 2300 Punkte einmal erreichen, dann erhält man den Titel und behält ihn für immer. Bei den beiden großen Titeln ist es aber zusätzlich Voraussetzung, bei mindestens zwei internationalen Titeln mehr als 2450, beziehungsweise 2550 Punkte zu erreichen. Und mindestens die Hälfte der Starter müssen von ausländischen Föderationen sein. Damit soll die Gefahr erschlichener oder gekaufter Punkte minimiert werden. Die Einordnung der Punkte richtet sich nach der Stärke eines Weltmeisters, die liegt bei 2800 Punkten.

Die Spielstärke steigern gehört zu den Aufgaben des Trainers. Abseits des Internetangebots schulen Trainer im Verein am realen Brett. Werden Partien gespielt und analysiert, oder einzelne Züge geübt?

Lukas: Das geht so weit, dass künstliche Stellungen erzeugt werden, die es zu lösen gilt. Damit sollen Denkstrukturen geschult werden. Man baut beispielsweise fünf, sechs Figuren auf und sagt: „Dieses Matt-Motiv musst du jetzt immer wieder erkennen.“ Aber es werden auch bestimmte reale Partien nachgespielt. Hantelmann: Die Spieler bringen zum Training auch gerne die eigenen Partien des vergangenen Wettkampfwochenendes mit, um dann gemeinsam mit dem Trainer oder auch Mannschaftskollegen eine Lösung zu diskutieren, warum es nicht zum Sieg gerecht hat, was man hätte besser machen können.

In vielen Sportarten ist das Trainieren nur die eine Seite eines Trainer-Jobs. die zweite ist das Coachen im Wettkampf. Gibt’s das auch beim Schach?

Lukas: Nein. Das ist im Prinzip wie beim Tennis-Davis-Cup. Sobald der Wettkampf beginnt, wird aus dem Trainer ein ganz normaler Zuschauer. Der darf keine Anweisungen geben, nicht mal ein Handzeichen, gar nichts. Die Versuche gibt’s immer wieder. Doch da kommt dann wieder der Schiedsrichter in Spiel.

Zu den Personen

Norbert Lukas wurde 1970 in Düsseldorf-Kaiserswerth geboren, nach seinem Studium in Essen verschlug es ihn beruflich nach Schweinfurt. Dort fand der Schachspieler beim SK 2000 seine sportliche Heimat. Zwischen 1995 und 2005 fungierte er bei deutschen Jugendmeisterschaften als Schiedsrichter, von 1999 bis 2006 war er Spielleiter der deutschen Schachjugend. Seine Funktionärslaufbahn innerhalb des Vereins startete Lukas als stellvertretender Kassier (2006-08), war danach stellvertretender Spielleiter (2008-10) und ist seit 2010 Vorsitzender des SK 2000 Schweinfurt. Als Schiedsrichter war er auch international im Einsatz, unter anderem bei der Junioren-WM 1995, der Jugend-EM 2000 und der Schach-Olympiade der Aktiven 2008.

Rolf Hantelmann wurde 1942 in Hildesheim geboren und gründete 2009 den SK Gerolzhofen. Seit 2013 gibt er Schachunterricht an der Grundschule Gerolzhofen, betreut da 34 Kinder in zwei Klassen. 2015 erlangte er das Schulschachpatent, seitdem leitet er das Jugendtraining im Schachklub.

Quelle: Mainpost